Web 2.0 heißt jetzt Social Media, sonst ändert sich nix. Wenn ein Buzzword anfängt zu langweilen, wird schnell eine neue Wortsau durchs Dorf getrieben.
Das Chart zeigt im unteren Teil, wie oft die beiden Begriffe in Deutschland bei Google News vorkamen – hier liegt Social Media schon vorn – und im oberen Teil, wie oft beide Begriffe als Suchbegriff eingegeben wurden. Als Suchbegriff rangiert momentan noch Web 2.0 vorn, aber das wird sich bald ändern. Unter “Social Media Revolution” häufen sich bei YouTube die Videos, die den umetikettierten Hype anheizen sollen und von quasi-religiösem Erweckungseifer zeugen.
Social Media stellt genauso wie Web 2.0 auf die durch das Internet gewachsenen Partizipationsmöglichkeiten ab, auf das Mitmach-Web – im Grunde auf jenes Ideal, das Bert Brecht schon in seiner “Radiotheorie” der 1930er Jahre skizziert hatte: Jeder Empfänger kann auch Sender sein.
Während Web 2.0 nichtssagend war (aber pfiffig als Marketing-Label), ist es semantisch problematisch von “sozialen Medien” zu sprechen. Medien haben immer soziale Funktionen. Es macht keinen Sinn, “soziale Medien” und Massenmedien gegenüberzustellen. Wikipedia tut dies trotzdem, zieht als Unterscheidungsmerkmal dann aber Kosten und Markteintrittsbarrieren heran:
“Social Media sind von Massenmedien, wie z.B. Zeitung, Fernsehen und Film zu unterscheiden. Während Social Media relativ kostengünstig und zugängliche Werkzeuge für Veröffentlichungen für jedermann (auch Privatpersonen) sind, erfordern Massenmedien umfängliche Ressourcen um Veröffentlichungen zu realisieren.”
Alles Bio? Warum stellt die construktiv GmbH eine Kuh neben ihr Logo? Oder ist es ein Schaf?
Der sprachsensible Werber Ralf Schwartz meidet den Begriff Social Media und spricht von Social Networking statt von Social Media Marketing. Soziale Netzwerke gab es immer schon; zu Goethes und Schillers Zeiten pflegte man sie mit Hilfe der Postkutsche, heute gibt es Facebook und Twitter. Das Prinzip ist unverändert, die Technik ist neu.
“Märkte sind Gespräche” hieß eine der klügeren Thesen des Cluetrain-Manifests von 1999. Das hätte auch der alte Domizlaff sagen können. Der wusste allerdings noch ganz genau, dass der Umkehrschluss nicht gilt, dass längst nicht alle Gespräche Märkte sind respektive sein wollen. Manche, die emsig an der Kapitalisierung von Blogs und Social Networks arbeiten, haben mit dieser einfachen Wahrheit große Probleme, wie immer wieder festzustellen ist.
Dirk Engel, Forschungsleiter bei der Mediaagentur Universal McCann in Frankfurt, verweist auf Erfahrungen, die Vodafone kürzlich machen musste, und erklärt in der Septemberausgabe von media spectrum:
”Je aktiver und involvierter die Gruppen der Social- Media-Nutzer sind, desto kritischer und skeptischer werden sie gegenüber allen Marketing-Maßnahmen, die sie von oben herab wie manipulierbare Konsumenten behandeln.”
Es ist, glaube ich, sogar noch “schlimmer”: Manche wollen manchmal überhaupt nicht als Konsumenten angequatscht werden, auch nicht als aufgeklärte Konsumenten von der Seite.
Lesenswerte Blog-Lektüre: Klaus Eck: Unternehmen wollen in Social Media nicht nur spielen Ralf Schwartz: Vodafone, Berater und der Mythos Social Media
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